Das Social Factual mit Collien Ulmen-Fernandes, das bereits zu Beginn des Corona-Lockdown verwirklicht wurde, zeigt auf, was passiert, wenn plötzlich Home-Office und Home-Schooling das Alltagsleben beeinflussen.
Drei Familien – zwei in Deutschland sowie eine in Italien lebend – filmten und dokumentierten mit fest installierten Kameras ihren neuen Alltag in Zeiten von Corona. Anhand der Aufnahmen beleuchtet Collien Ulmen-Fernandes, wie die Familien mit der Situation klar kommen, dass Kitas und Schulen geschlossen sind, die Eltern zum Teil im Home Office arbeiten und das gewohnte Alltagsleben momentan nicht möglich ist. In einem persönlichen Videotagebuch halten die Eltern und Kinder ihre Eindrücke des Tages fest und reflektieren ihr Verhalten und ihre neuen Lebensumstände.
Nun sind die Lockerungen eingetreten, doch inwieweit bestand schon zu Beginn der neuen Umstände die Gefahr, dass alte Rollen- und Familienbilder wieder Einzug halten in unsere moderne Welt der ehelichen und familiären Gleichberechtigung.
Unter Berücksichtigung der behördlichen Corona-Regelungen nahm die Moderatorin zudem Kontakt zu Psycholog*innen, Pädagog*innen, Hirn-, Trend- und Gender-Forscher*innen auf. Von ihnen wollte sie unter anderem wissen: Wie gut sind unsere Schulen, Schüler und Schülerinnen für das Homeschooling gerüstet, wie wirkt sich der Lockdown auf das Miteinander in den eigenen vier Wänden aus? Wo entstehen Krisen und welche Lösungen gibt es? Und was macht die Ausnahmesituation mit unserem Rollenverständnis? In die Zukunft geblickt, fragt Collien Ulmen-Fernandes außerdem: Welche Erkenntnisse nehmen wir aus dieser Zeit mit? Und was lernen wir daraus?
Das Format ist durchaus auch jetzt noch interessant anzusehen (in der ZDFmediathek), um sich über die Chancen, aber auch Fallstricke von Familienleben in Extremsituationen bewusst zu werden.
Ein Interview mit der Moderatorin kurz vor Ausstrahlung über deren Beweggründe:
Frau Ulmen-Fernandes, ist nicht zu befürchten, dass durch die neuen Lebensumstände, Frauen wieder, wenn auch mitunter unbewusst, in alte Rollenbilder gedrängt werden?
Collien Ulmen-Fernandes: Ja, die Befürchtung habe ich. Daher widmen wir uns dieser Thematik in einem ganzen Block und lassen eine Expertin zu Wort kommen. Einige Frauen berichteten, dass sich diese Zeit wie eine Reise in die 1950er Jahre anfühlt, sie plötzlich alleine der Doppelbeanspruchung aus eigener Arbeit im Home-Office und der Kinderbetreuung bei den Schularbeiten ausgesetzt sind, hinzu kommt, dass Kinder in Zeiten der Kontaktbeschränkung noch intensiver bespaßt werden wollen. Ich sehe hier in Potsdam ausschließlich Frauen mit ihren Kindern spazieren gehen. Da frage ich mich schon, was da los ist. Inzwischen gibt es auch eine große Studie, die diesen subjektiven Eindruck bestätigt: Fast doppelt so viele Frauen haben in dieser Zeit beruflich zurück gesteckt und die Kinderbetreuung übernommen, als Männer.
Wie ist die Situation bei Ihnen privat?
Meine Tochter geht in die zweite Klasse. Die ersten beiden Wochen habe ich das Home-Schooling übernommen. Da ich nun aber zum einen dieses Format drehe und auch an anderen Produktionen arbeite, dafür auch oft nicht zu Hause sein kann, übernimmt das nun mein Mann.
In Ihrem Format wird doch auch grundsätzlich sichtbar, was passiert, wenn ein solche ungewohnte Situation Einzug hält. Und was Familien eventuell in die Zeit danach mitnehmen können.
Ja, einer unserer Experten sagt, es ist unbedingt Zeit nachzudenken. Etwa über unseren Medienkonsum, die Fernsehquoten der Kindersender steigen, auch die Schularbeiten finden am Computer statt. Dann kommt noch der Videocall mit Freunden, Verwandten, Oma und Opa hinzu. Alles in allem ganz schön viel Bildschirmzeit für ein Kindergehirn. Daher geben unsere Experten Tipps, wie man mit diesem Thema in Corona-Zeiten am besten umgeht.
Wie haben Sie die Familien, die begleitet werden ausgesucht?
Uns war wichtig, unterschiedliche Konstellationen zu zeigen. Eine Familie mit einem Neunjährigen, in der der Mann im Home-Office ist und die eigentlich auch berufstätige Mutter den Haushalt und die „Haus-Schule“ übernimmt. Eine Familie mit drei schulpflichtigen Kindern, einem 15- und einem 8- sowie einer Sechsjährigen. Die dritte Familie lebt in Italien, hat Videokonferenzen mit fünf bis sechs Stunden Dauer zu bewältigen und ein Kleinkind. Wir wollten, dass sich viele mit den Familien identifizieren können.
Gibt es jetzt schon Erkenntnisse?
Vorher dachte man, es wird eine Zeit der Entschleunigung. Allerdings ist bei den Meisten eher das Gegenteil der Fall. Im Home-Office muss ein bestimmtes Arbeitspensum erfüllt werden, nebenbei muss man noch Hobby-Lehrkraft spielen und die Kinder zu Mathe und Deutschaufgaben motivieren. Das klappt nicht immer gut. Im Moment ist es aber tendenziell eher eine stressige Zeit, in der man erschöpft ins Bett fällt.
Eine weitere Frage der Sendung ist, ob das Virus die Familien unter eine Lupe legt, unter der Schieflagen, bereits vorhandene Probleme und ungeklärte Fragen sichtbarer werden. Etwa: wer macht die Arbeit mit den Kindern und im Haushalt? Ist sie gerecht verteilt? Helfen die Kinder mit? Diese Themen und Fragen müssen jetzt beantwortet werden.
Und gibt es noch einen Tipp für das Bewältigen des Alltages?
Unsere Experten sagen, man muss eine Struktur finden, einen Tagesplan erstellen und eben ganz wichtig, den Tag ordnen, vielleicht sogar einen Stundenplan für die Schule zuhause erstellen.
INFO:
Die 44-minütige Dokumentation ist in der Mediathek des ZDF
noch verfügbar bis zum 15.05.2021
ZDF mediathek – Familien allein zu Haus
Ein Beitrag von: Marion Buk-Kluger lic.rer.publ
www.marion-buk.de