Nazan Simsek, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Augsburg, im liesLotte-Gespräch über den Umgang mit kindlicher Trauer.
Der Verlust eines geliebten Menschen ist für Erwachsene eine große emotionale Herausforderung. Der Tod löst in uns tiefe Traurigkeit aus und erfüllt uns mit Hilflosigkeit, Ohnmacht, Schmerz und Leere. Viele Erwachsene sind mit ihrer eigenen Trauer überfordert. In dieser Situation auch die Kinder im Blick zu behalten und auf ihre Bedürfnisse einzugehen, ist schwierig. Erst einmal müssen wir selbst mit der neuen Situation fertig werden und lernen, den Verlust anzunehmen.
Als Eltern wollen wir unsere Kinder schützen. Wir möchten sie glücklich und unbeschwert aufwachsen sehen. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Eltern nur ungern mit ihren Kindern über den Tod sprechen. Sie wollen keine Sorgen oder Ängste schüren und sie nicht belasten.
Doch es ist wichtig, dieses Thema Kindern gegenüber anzusprechen. Entwicklungsbedingt gehen sie je nach Alter ganz unterschiedlich damit um. Im Vorschulalter ist es ihnen oftmals noch nicht möglich, die Auswirkungen des Todes zu erfassen, da Kleinkinder noch kein ausgeprägtes Zeitverständnis haben. Für sie ist der Tod wie ein Schlaf. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass der oder die Verstorbene wieder aufwachen und zurückkommen wird.
Ab dem Schulalter wird es für Kinder verständlicher, dass dieses Ereignis nicht umkehrbar ist. Das gesamte Ausmaß jedoch können sie auch in dieser Altersklasse noch nicht wirklich erfassen. Das Thema bleibt auch für Schulkinder abstrakt, zumal sie in dieser Phase ihres Lebens im Hier und Jetzt leben.
Mit zunehmendem Alter beschäftigen sich Kinder vermehrt mit dem Tod. Insbesondere in der Pubertät, einer Zeit, in der durchaus wichtige Lebensfragen im Raum stehen, wird auch das Sterben hinterfragt. Dies hängt damit zusammen, dass in diesem Alter die Suche nach dem eigenen „ich“ oft mit vielen Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten verbunden ist.
Kinder haben ein gutes Gespür dafür, wie es ihren Bezugspersonen geht. Sie haben daher ein Recht zu wissen, weshalb ihre Eltern traurig sind. Andernfalls laufen sie Gefahr, sich selbst für die Traurigkeit der Eltern verantwortlich zu fühlen. Schuldgefühle können entstehen. Der ehrliche Umgang mit den Kindern ist daher wichtig.
Dabei sollte das Gespräch immer altersgerecht geführt werden. Überlassen Sie Ihrem Kind die Gesprächsführung, damit es eigene Fragen stellen kann. Dadurch können Sie die Gedanken- und Gefühlswelt Ihres Kindes besser erfassen und seinen Fragen gerecht werden, ohne es zu überfordern. Verlieren Sie sich nicht in Metaphern, sondern nutzen Sie klare und verständliche Begriffe und Sätze. So geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, das Ereignis zu akzeptieren und entsprechend zu verarbeiten.
Kinder orientieren sich in ihrer Trauerphase an Erwachsenen, in erster Linie an ihren Bezugspersonen. Sie brauchen die emotionale Absicherung durch diese, um die Gefühle aushalten zu können. Es ist wichtig, dass Kinder ihre Trauer fühlen und sie auch ausleben dürfen. Andernfalls können solche Verlusterlebnis später wieder aufkeimen.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Bücher, die Kindern das Thema Tod und Sterben näher bringen. Entscheiden Sie selbst, ob das Vorlesen oder gemeinsame Durchblättern eine Unterstützung für Sie und Ihre Familie sein kann. Die Palette reicht hierbei von humorvoll bis sentimental. Eltern sollten das Buch ihrer Wahl jedoch zunächst selbst durchlesen, um abwägen zu können, ob es auch für ihr Kind geeignet ist.
Rituale können das Kind stützen und ihm helfen, das Ereignis besser anzunehmen: ein selbstgemaltes Bild oder ein Brief, den das Kind ins Grab gibt, oder eine Kerze, die für den verstorbenen Menschen angezündet wird. Auch ein Lied, ein bestimmter Geschmack oder Duft kann eine Verbindung zu dem oder der Verstorbenen herstellen. Denn letztendlich sind es die Erinnerungen, die uns über den Tod hinaus am Leben erhalten.
Trauer ist ein Ausdruck von Liebe: „Wenn ihr mich sucht, suchet mich in euren Herzen. Habe ich dort einen Platz gefunden, werde ich immer bei euch sein.“ (Antoine de Saint Exupéry)
INFO:
Kinderschutzbund Augsburg
Volkhartstr. 2, Augsburg
www.kinderschutzbund-augsburg.de
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