Nazan Simsek, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Augsburg, im liesLotte-Gespräch über Kinderarmut in Deutschland.
Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen beginnt in erster Linie damit, dass wir ihnen zuhören, hinsehen und verstehen, was sie bewegt.
Die UN-Kinderrechtskonvention normiert in Artikel 26 „das Recht jedes Kindes auf Leistungen der sozialen Sicherheit“. In Artikel 27 erkennen die Vertragsstaaten „das Recht jedes Kindes auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandard“ an. In Deutschland lebt jedoch mehr als jedes fünfte Kind in Kinderarmut, Tendenz steigend, zumal die Preissteigerungen die Situation verschärft haben.
Dürftige finanzielle Verhältnisse haben eine gravierende Auswirkung und bedeuten oftmals keine gleichberechtigte Bildung, weniger Zugang zu Freizeitaktivitäten, keine Chancengleichheit. Kinder haben entwicklungsbedingte Bedürfnisse, die sie aufgrund Armut nicht entfalten können. Kinder haben die Armut nicht gewählt und haben selbst nicht die Möglichkeit, dem zu entfliehen.
Alle Kinder haben das Recht auf unbeschwerte Kindheit, Entwicklung ihrer Persönlichkeit, Bildungsgerechtigkeit, das Recht auf Gesundheit und Teilhabe.
Kinder kommen z.B. mit leerer Brotzeitbox zur Schule, haben keine Winterstiefel im Schrank, bekommen kein Mittagessen, können weder Sportkurse besuchen noch in den Urlaub fahren. Hinzu kommt die zunehmende Digitalisierung. Die Kinder können sich keinen eigenen Laptop leisten, oftmals fehlt es bereits an einem eigenen Schreibtisch oder einem eigenem Kinderzimmer.
Die Kinderarmut ist ein Armutszeugnis für Deutschland. Der Fortschritt eines Landes lässt sich in erster Linie daran messen, wie es mit Kindern und Jugendlichen umgeht. „Ein Land mit Kindern ist ein Land mit Zukunft“, sagte einst Helmut Kohl.
Die Förderung von Kindern darf daher nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern. Jedes Kind ist Zukunft und jedes Kind ist gleich viel wert. Die Wertschätzung, die wir heute den Kindern und Jugendlichen entgegenbringen, ist die beste Investition in unsere Zukunft, in ein starkes Wir, ein Miteinander auf Augenhöhe.
Die Bekämpfung der Kinderarmut ist daher eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Der grundlegende Bedarf von Kindern und Jugendlichen muss gesichert und gewährleistet sein, damit jedes Kind dieselben Chancen zur Teilhabe erhält und jedem Kind Bildungerechtigkeit zuteil wird.
Zur Bekämpfung der Kinderarmut bedarf es daher sowohl materieller, finanzieller Unterstützung, wie die Kindergrundsicherung, als auch den Ausbau der Infrastrukturen, wie den Ausbau von Kita-Plätzen, Ausbau des pädagogischen Personals in Kitas und Schulen und kostenlose Sportangebote.
Armut geht uns alle an! Kinder, die in Armut aufwachsen, leiden unter Scham, unter Verzicht, unter Mangel und erfahren zudem Ausgrenzung. Partizipation beginnt mit den Möglichkeiten. Hierzu sollten Kinder und Jugendliche in Entscheidungen, die sie betreffen, befragt und miteingebunden werden.
Auch im Hinblick auf demokratische und politische Teilhabe ist die Bekämpfung der Kinderarmut unerlässlich. Kinder und Jugendliche, die in Armut leben, beteiligen sich weniger politisch, fühlen sich abgehängt und der Gesellschaft daher weniger zugehörig. Armut geht uns daher alle an, da diese Folgen für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, unsere Demokratie, haben kann. Gemeinsam gegen Kinderarmut, jetzt!
INFO:
Kinderschutzbund Augsburg
Volkhartstr. 2, Augsburg
www.kinderschutzbund-augsburg.de