Nazan Simsek, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Augsburg, im liesLotte-Gespräch über die PISA-Studie und die Folgen des Leistungsdrucks.
Kinder und Jugendliche sind in einer leistungsorientierten Gesellschaft großen Herausforderungen ausgesetzt. Der Druck, gute Leistungen zu erbringen, lastet auf den Schultern der jungen Generation. Die jüngsten Ergebnisse der PISA-Studie verunsichern und frustrieren Kinder und Eltern zusätzlich.
Ein Blick auf die Studie birgt jedoch auch die Chance zu reflektieren, weshalb, trotz zunehmender Leistungserwartung, das Ergebnis derart schlecht ausfällt. Wie wirkt sich der Leistungsdruck auf unsere Kinder aus? Und was können Familien tun, um Kinder besser zu unterstützen und zu entlasten?
Grundsätzlich ist eine moderate Leistungserwartung wichtig, da diese motiviert und herausfordert, eigene Potenziale und Fähigkeiten zu entwickeln, zu erkennen und auszuschöpfen. Problematisch wird die Leistungserwartung jedoch, wenn diese nicht an den individuellen Fähigkeiten, Möglichkeiten des Kindes ausgerichtet ist und aus Erwartung Druck wird. Dies kann zu Stress, Angstzuständen und zu einem Gefühl der Überforderung führen. Der Druck kann somit die psychische Gesundheit und auch das Lernverhalten, mithin den Lernerfolg, beeinträchtigen. In der Folge zweifelt das Kind an sich und sein Selbstwertgefühl bröckelt.
Zusätzlich eifern Kinder ihren erwachsenen Vorbildern nach. In einer leistungsorientierten Gesellschaft wird oft vorgelebt, dass nur zählt, Leistung zu bringen, zu funktionieren, sich über berufliche Erfolge zu definieren und dabei wenig bis keine Zeit für Ruhemomente bleibt und dafür, durchzuatmen.
Achten Sie als Eltern daher auf den Stresspegel in der Familie – auf ihren eigenen und auf den ihres Kindes. Beobachten Sie Ihr Kind und leben Sie ihm vor, dass es wichtig ist, inne zu halten und zu entspannen. Signalisieren Sie, dass es völlig in Ordnung ist, wenn es mal zu viel wird. Seien Sie offen für das Gespräch, vermitteln Sie Ihrem Kind, dass auch Selbstfürsorge wichtig ist. Achtsam mit sich selber zu sein, bedeutet, sich selbst wertzuschätzen, die eigenen Gefühle, eigene Befindlichkeiten wahrzunehmen, sich Ruhephasen zu nehmen, für genug Schlaf und eine ausgewogene Ernährung zu sorgen und positiv besetzte Aktivitäten in den Alltag zu integrieren.
Hilfreich können Hobbys sein wie beispielsweise Malen, Sport oder andere Freizeitgestaltungen. Diese haben eine Ventilfunktion und tragen zur Entspannung bei. Sie fördern die emotionale Stabilität und bewirken langfristig auch eine bessere Konzentrationsfähigkeit.
Das Elternhaus stellt mit der Schule eine Bildungseinheit dar. Wollen wir Kinder, die Leistung erbringen, aber sich hierbei nicht übernehmen sollen, ist es wichtig, auch im schulischen Kontext Maßnahmen zu ergreifen, um den Druck auf die Schüler:innen zu verringern, beispielsweise durch Vermittlung von Stressbewältigung, mehr Unterstützung und Stärkung unter Berücksichtigung der individuellen Ressourcen.
Die Note sollte nicht als einziger Maßstab für die Intelligenz oder die Erfolgsaussicht des Kindes betrachtet werden. Die Klassifizierung der Kinder in Noten ist oft fatal. Wichtiger ist es, das Wachstum, die Entwicklung des Kindes zu erfassen, wo braucht das Kind Unterstützung, wo hat es Fortschritte gemacht, welche Stärken hat das Kind… das sind die entscheidenden Fragen.
„Man sollte von Zeit zu Zeit von sich zurücktreten, wie ein Maler von seinem Bilde.“ (Christian Morgenstern)
„Denn die Kunst des Ausruhens ist ein Teil der Kunst des Arbeitens.“ (John Steinbeck)
„Wenn der Mensch zur Ruhe gekommen ist, dann wirkt er.“ (Francesco Petrarch)
Foto: Adobe Stock, Tetiana Soares | Zitat Titel: Waltraud Puzicha