Nazan Simsek, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Augsburg, im liesLotte-Gespräch über die Herausforderungen der medialen Erziehung.
In unserem Alltag nehmen die digitalen Medien zunehmend Raum und Zeit ein. Die Digitalisierung schreitet voran. Das Smartphone, Computer und Tablets sind nicht mehr wegzudenken. Sicherlich bringen diese Chancen und Möglichkeiten mit. Zeitgleich sind damit jedoch für Eltern auch Herausforderungen verbunden. Ausweislich der DAK-Studie nutzt jedes vierte Kind soziale Medien riskant. Das sind hochgerechnet 1,3 Millionen Mädchen und Jungen. Die American Academy of Pediatrics betont: „Medien, sowohl gute als auch schlechte, prägen, wie Kinder denken, fühlen und handeln.“
Kinder haben alters- und entwicklungsbedingt unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten, Medieninhalte zu verstehen und zu verarbeiten. Eltern haben hier eine Fürsorgepflicht.
Beispielsweise sind einfache Lern-Apps für Kleinkinder geeignet, während ältere Kinder von Bildungsprogrammen und altersgerechten Filmen profitieren können. Plattformen wie zum Beispiel „Flimmo“ können eine gute Orientierungshilfe für geeignete Fernsehsendungen sein.
Den Kindern zu vermitteln, dass Offline-Zeiten und medienfreie Zeiten wertvoll sind, kann auch das Familienleben bereichern und das Bewusstsein für einen ausgewogenen Medienkonsum schärfen. Eltern sollten vor allem während der Mahlzeiten oder vor dem Schlafengehen auf medienfreie Zeit achten. Medienfreie Zeiten im Haus schaffen Rückzugsorte ohne digitale Ablenkungen und zeitgleich Raum für Ruhe und Kreativität. „Was Kinder am meisten brauchen, ist ihre Vorstellungskraft und Kreativität zu entwickeln, nicht nur ihre Fähigkeit, eine Maus zu bedienen“ erläutert Jane M. Healy.
Die wichtigste Regel dürfte die zeitliche Begrenzung der Bildschirmzeit sein. In Anlehnung an die Empfehlung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kann folgende Regel als Orientierungshilfe herangezogen werden: Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren sollten keine Bildschirmmedien nutzen. Im Alter von 3 bis 6 Jahren sollte der Medienkonsum auf 30 Minuten täglich beschränkt werden, zwischen 6 und 10 Jahren sollte die Bildschirmzeit auf 60 Minuten täglich beschränkt werden.
Auch im Rahmen des Medienkonsums sind Eltern Vorbild für ihre Kinder. Kinder lernen durch Nachahmung. Verbringen Eltern selbst viel Zeit am Smartphone oder Tablet, werden auch die eigenen Kinder dazu neigen, viel Medien zu nutzen.
Eltern können ihre Kinder unterstützen, indem sie mit ihnen über Medien sprechen und die Kinder ermutigen, Inhalte kritisch zu hinterfragen. Kinder brauchen in der Welt der Medien auch Erwachsene, die sie stärken, ihnen helfen, zu verstehen, zu analysieren und zu bewerten, was damit verbunden ist. Denn „Je mehr wir Technologie in unser Leben integrieren, desto achtsamer müssen wir damit umgehen, wie sie uns beeinflusst.“ (Common Sense Media).
Enormer Medienkonsum kann eine Vielzahl negativer Auswirkungen auf Kinder haben. Diese reichen von physischen, mentalen Gesundheitsproblemen bis hin zu sozialen und kognitiven Beeinträchtigungen. Jedes Kind ist anders. Während manche Kinder gut mit wenig Medienzeit zurechtkommen, haben andere möglicherweise ein stärkeres Bedürfnis nach digitaler Interaktion. Eltern sollten die individuellen Bedürfnisse und Interessen ihrer Kinder berücksichtigen und flexibel auf deren Entwicklung reagieren.
Bewusste und ausgewogene Mediennutzung kann den Familienalltag bereichern und Kindern helfen, wichtige Fähigkeiten zu entwickeln. Eltern können sie mit einer aktiven Vorbildfunktion, klaren Regeln, altersgerechten Inhalten dabei unterstützen, selbstbewusst und verantwortungsvoll mit Medien umzugehen.
Das Zauberwort für ein erfülltes und gesundes Familienleben ist die Balance zwischen digitalen und analogen Aktivitäten. „Alles was uns begegnet, lässt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei“, wusste schon Johann Wolfgang von Goethe.
INFO:
Kinderschutzbund Augsburg
Volkhartstr. 2, Augsburg
www.kinderschutzbund-augsburg.de
Foto: Adobe Stock, nadezhda1906